The winner is …: Der lokale Gewerbeverein

    (Bild: zVg) Hans-Ulrich Bigler

    Vor 120 Jahren wurde der Handwerksmeister- und Gewerbeverein Dietikon aus der Taufe gehoben und anfangs Jahr das Jubiläum gefeiert. Mit über 230 Mitgliedern ist der Gewerbeverein Dietikon einer der grössten im Kanton Zürich. Dank des Zusammenhalts ist er lokal eine wirtschaftliche, politische und kulturelle Kraft. Der skeptische Leser wird nun einwenden: Na und, was geht mich Dietikon an?

    Es geht um viel mehr, als bloss um einen kleinen Ort im Limmattal. Es geht um eine grundlegende Zelle der Schweizer Vereinslandschaft: um lokale Gewerbeverbände. Freilich: Die meisten von ihnen entstanden als Selbsthilfegemeinschaften oder – sagen wir es offen – als Kartelle. Doch seit der Aufbauphase der modernen Eidgenossenschaft erfüllen lokale Handwerker- und Gewerbevereine fundamentale Aufgaben.

    Schon früh organisierten diese freiwilligen Gemeinschaften politische Interessen auf lokaler Ebene. Nicht selten waren erste liberale Gewerbeordnungen – die Vorläufer der Handels- und Gewerbefreiheit, die heute sogar Wirtschaftsfreiheit heisst – das direkte Resultat der Aktivitäten dieser Verbände. Doch sie funktionierten nicht nur als einseitige Interessensvertretung. Sie tun es heute auch nicht. Lokale Gewerbevereine dienen auch zum Ausgleich verschiedener Interessen. Als Austauschplattform für ähnliche, aber keinesfalls gleiche Anliegen ermöglichen Gewerbevereine die Bildung von Konsens. Daher stammt ihre politische Kraft. Durch Konsensbildung bauen Gewerbevereine lokale Koalitionen auf. Vielfach unterbewertet ist die soziale Rolle von Gewebevereinen. Bis weit in die Siebzigerjahre des 20. Jahrhunderts und vereinzelt noch heute waren und sind sie nicht nur politisch, sondern auch karitativ tätig. Seit langem und insbesondere heute engagieren sie sich in der Förderung der Kultur und des Lokalsports, oder kurz: beim Aufbau der lokalen Identität.

    Ein Beispiel: Eine Studie aus dem Jahr 2017 bestätigt, dass in der Region Gruyère und Vevey KMU – meist über Gewerbevereine – jährlich 45 Millionen Franken für die lokale Sport-, Kultur- und Identitätsförderung bereitstellen. Umgerechnet entspricht dieser Betrag um die 650 Franken pro Einwohner.

    Warum tun die Firmen und Gewerbevereine so etwas? Die Antwort liegt auf der Hand: Ihnen ist die Verantwortung der Unternehmerin und des Unternehmers wichtig. Es ist selbstverständlich, als Teil der lokalen Gemeinschaft in der lokalen Politik und für das Leben miteinander, Verantwortung zu übernehmen.

    Wie sieht es aus mit der Zukunft? Wird diese Sicht aufs Gemeinwohl in einer immer schnell lebigeren Zeit überleben? Der Präsident des Handwerker- und Gewerbevereins in Heiden hielt vor zwei Jahren anlässlich seiner Ansprache zum eignen 125. Jubiläum fest: «Unternehmerinnen und Unternehmer wissen, dass im Grunde genommen alles schwierig ist. Aber sie trotzen den Problemen und ergreifen die Chancen. Unternehmerinnen und Unternehmer sind eben optimistisch.»

    Damit kann man – ja: soll man – optimistisch in die Zukunft der lokalen Gewerbevereine blicken. Nicht bloss in Dietikon oder Heiden, sondern in der ganzen Schweiz.

    Hans-Ulrich Bigler
    Nationalrat FDP ZH
    Direktor Schweizerischer
    Gewerbeverband sgv


    ZUR PERSON

    Hans- Ulrich Bigler ist seit 2008 Direktor des Schweizerischen Gewerbeverband sgv in Bern, der als grösste Dachorganisation der Schweizer Wirtschaft über 230 Verbände und gegen 500’000 KMU vertritt. Seit vier Jahren setzt er sich zudem im Parlament für optimale wirtschaftliche und politische Rahmenbedingungen für die KMU sowie ein unternehmensfreundliches Umfeld ein.

    Er ist in zahlreichen nationalrätlichen Kommissionen vertreten. Weitere Mandate sind unter anderem das Präsidium der Stiftung KMU Schweiz, des Nuklear Forum Schweiz sowie das Vizepräsidium von proparis, Vorsorge Gewerbe Schweiz und der Energie-Agentur der Wirtschaft.

    Der 61-Jährige ist verheiratet, hat drei erwachsene Kinder und wohnt in Affoltern am Albis/ZH.

    Vorheriger ArtikelDie Naturheilpraktikerin Andrea Zulauf geht innovative Wege
    Nächster ArtikelCarte Blanche für die Ostschweiz