«Überraschung, Weihnachten findet dieses Jahr wieder statt» – oder wie?

    Vergangenen Samstag beging ich den wohl grössten Fehler, den man im Dezember jeden Jahres begehen kann: Ich betrat die Basler Innenstadt. Na ja. Ich versuchte es zumindest. Doch welch schauderhaftes Bild wurde mir da geboten: Menschen, die in ihrem Vorweihnachtsrausch derart eskalieren, dass selbst der Strassenverkehr lahmgelegt wird, um genügend Platz für die Weihnachtswahnsinnigen zu schaffen. Das ist schlichtweg bedenklich und für mich unverständlich. Es ist mir ein Rätsel, warum jedes Jahr dieses Theater von Neuem beginnt und die Leute nicht einfach mal ein paar Monate vorher ihre Geschenke kaufen gehen. «Überraschung, Weihnachten findet dieses Jahr wieder statt» – oder wie? Es kann mir niemand weismachen, dass es ein Vergnügen ist,  zwischen Shoppingtüten und Daunenjacken sich die Haare elektrisieren zu lassen, zwanzig Minuten an der Kasse anzustehen, nur um eine Kleinigkeit bezahlen zu können oder zwischen den ganzen Weihnachtsbuden und bereits Angeheiterten oder Gestressten nur in Zehn-Zentimeter-Schritten voranzukommen. Wer nimmt eine solche nervenaufreibende Tortour auf sich? Ich offensichtlich. Dabei wollte ich nur kurz ein Ladekabel kaufen gehen. Keine Chance. Also, Rückwärtsgang eingelegt und raus aus dieser lauwarmen, nach Glühwein riechenden Menschensuppe.

    Was mich betrifft: Ich habe diesen Stress gar nicht. Nie. Denn ich habe seit Jahren mit den liebsten Leuten in meinem Leben den Deal geschlossen, dass wir uns gegenseitig nichts zu Weihnachten schenken. Es gibt genügend andere Tage im Jahr, an denen ich meinen Liebsten eine Kleinigkeit mitbringen kann – eben immer dann, wenn ich etwas Besonderes gefunden habe und gleich eine Person im Kopf habe, die ich damit unendlich glücklich machen kann. Ausserdem gibt es ja immer noch Geburtstage. Warum sollte ich denn meiner Schwester zur Geburt Jesu eine elegante Handtasche schenken? Wenn ich der Meinung bin, die elegante Handtasche würde ihr Leben positiv verändern, könnte ich ihr die doch auch einfach im September schenken oder im März? Doch nur weil alle anderen etwas an einem einzigen Tag zelebrieren, muss ich bei diesem Wahnsinn nicht auch noch mitmachen. Als christlicher Mensch verstehe ich vollkommen, wenn man um die Weihnachtszeit herum intensiver daran erinnert werden soll, den Armen und Bedürftigen gegenüber grosszügig und hilfsbereit zu sein. Das begrüsse ich sehr. Allerdings gilt auch hier, dass Menschen auf der Schattenseite des Lebens das ganze Jahr unterstützt werden sollten.

    Aber jetzt mal Hand aufs Herz: Die meisten Leute – klar, nicht alle, aber die meisten – kaufen doch eh nur unter Strom auf den letzten Drücker irgendetwas, um am Heiligen Abend nicht mit leeren Händen dazustehen. Sie überreichen dann unnötige Staubfänger, die man nicht brauchen kann. Dinge worüber man sich das halbe Jahr den Kopf zerbricht, wie man sie elegant entsorgen kann! Aber das ist absolut nicht der Sinn der Sache. Weihnachten ist das Fest der Liebe und der Familie und nicht dazu da, tausend Geschenke zu haben. Albert Einstein hat mal geschrieben: «Die besten Dinge im Leben sind nicht die, die man für Geld bekommt.» Wir sollten lernen, zu schätzen, was wir haben, lernen zu geniessen und glücklich zu sein. Die Adventszeit sollte eine Zeit der Besinnung und Freude sein. Advent heisst nichts anderes als Ankunft und ist zu verbinden mit der Ankunft des Messias. Langsam verblasst die Bedeutung der Liebe, und die nichtigen Dinge gewinnen an Priorität. Deshalb sollten wir uns darauf zurückbesinnen, dass die glücklichsten Menschen diejenigen sind, die Liebe schenken und Liebe zurückbekommen. Und daher bin ich der Meinung, dass eine Aufmerksamkeit – egal zu welchem Anlass – dann Freude bereitet, wenn man sich im Vorfeld darüber Gedanken gemacht hat, mit was man diese bestimmte Person freudig überraschen könnte. Gerade zum Fest der Liebe sollte ein Geschenk von Herzen kommen und auf den Beschenkten zugeschnitten sein. Reich beschenkt ist, wer Glaube, Liebe, Hoffnung im Herzen trägt.

    In diesem Sinne wünsche ich Ihnen liebe Leserin und Leser von ganzem Herzen eine frohe Adventszeit. Werden Sie in dieser zauberhaften Zeit für ein paar Minuten zum Kind mit glänzenden Augen und bauen Sie im Alltag ein Zeitfenster der Besinnung und Ruhe ein. Und ich wünsche Ihnen Geschenke, die von Herzen kommen.

    Herzlichst,

    Ihre Corinne Remund,
    Verlagsredaktorin

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