Die Stimme der KMU und der Wirtschaft
«Perspektive Schweiz» heisst die gemeinsame Kampagne der Dachverbände der Wirtschaft und Landwirtschaft. Die Botschaft ist einfach: Die freie Wirtschaft schafft Mehrwert und Perspektiven für das ganze Land. Die Aufforderung ist ebenso logisch: Wählt bürgerlich.
Doch was ist bürgerlich? Wir leben in einer Zeit, in der Wörter systematisch umgedeutet werden. Plötzlich soll das Wort liberal für alles herhalten, von freier Wirtschaft bis zum Beitritt zur Europäischen Union. Plötzlich ist Solidarität nicht mehr ein ethisches Gefühl der handelnden Person, sondern eine durch Staatsregulierung erzwungene Abgabe. Es ist also gut, sich zu fragen, was bürgerlich überhaupt noch heisst.
Man kann es historisch anpacken und einen grossen Bogen vom Freiheitskampf des 19. Jahrhunderts zur grossen Wohlstandsmehrung der letzten 40 Jahren bauen. Man kann es auch kulturell herangehen und die bürgerlichen Charakterstärken diskutieren. Sie sind: Fleiss, Sparsamkeit, Familiensinn, Kunstsinn, politisches Engagement für demokratische Errungenschaften, gute Umgangsformen und individuelle Verantwortung.
Das mag alles interessant sein, doch es beantwortet noch nicht die politische Frage. Was heisst es heute, bürgerliche Politik zu machen? Jede bürgerliche Politik beginnt mit einem klaren Bekenntnis zur Freiheit, zu den Grundrechten und zum Eigentum.
Freiheit ist die Fähigkeit des Individuums, sein Leben selbst in die Hand zu nehmen. Das heisst: eigenständig zu entscheiden, was es will oder nicht, selbstverantwortlich zu handeln und die Konsequenzen der eigenen Handlungen zu tragen. Freiheit ist also etwas Persönliches. Sie hängt an jeder einzelnen Person. Doch sie verpflichtet auch die Person, denn grundsätzlich ist jede für das eigene Leben selbst zuständig.
Damit sich Individuen frei entfalten können, braucht es Rahmenbedingungen. Dazu gehören die Grundrechte und die Eigentumsgarantie. Die Grundrechte sind Abwehrrechte des Individuums gegen staatliche Intervention. Eigentumsgarantie ist das Abwehrrecht gegen private und staatliche Übergriffe.
Auf dem ersten Blick erscheint es komisch: Warum sollten die Rahmenbedingungen durch Abwehrrechte abgesteckt werden? Die Antwort ist leicht: Weil es die Individuen sind, welche ihr Leben gestalten. Wenn es schon die Einzelnen sind, welche die Verantwortung für sich selbst tragen, dann bestehen ihre Rahmenbedingungen aus Freiräumen. Sie füllen diese Freiräume selbst aus; man muss ihnen nur die Grenzen aufzeigen.
Und der Staat – was macht er? Er garantiert die Rahmenbedingungen. Das ist nicht wenig. Denn dazu gehören eine glaubwürdige Verteidigung und wirksame Polizei. Zur Garantie der Rahmenbedingungen gehören auch ein stabiles Rechtssystem und die Abwehr von rechtlichen Übergriffen auch auf internationalem Parkett.
Zu den Staatsaufgaben gehört auch die Pflege der Infrastrukturen, die man für das Zusammenleben braucht. Das können harte Infrastrukturen wie Strassen- und Telekommunikationsnetze oder die staatspolitischen wie die Demokratie, insbesondere die direkte Demokratie, sein. Es ist dennoch Sache der einzelnen Individuen, die Infrastruktur zu nutzen und sie mit Inhalt zu füllen.
Bürgerliche Politik ist also von diesen Werten getrieben. Sie kämpft unermüdlich und unerbittlich für die Maximierung der Freiheit und der Verantwortung der einzelnen Individuen. Mit gleicher Hartnäckigkeit setzt sie sich für die Fokussierung der Staatstätigkeit auf seine Aufgaben. Und das ist nicht einfach. Denn wir leben in einer Zeit, in der offenbar viele alles Heil vom Staat erwarten.
Genau das ist aber das Gegenteil bürgerlicher Politik. Wer für Lösungen von (vermeintlichen) Problemen in Regulierung und Staatsintervention sucht, ist nicht bürgerlich. Solche «Lösungen» schränken die Freiheit des Einzelnen ein, was grundsätzlich anti-bürgerlich ist.
Was ist also bürgerlich? Es ist ein radikales Emanzipationsprogramm. Zu neudeutsch: Empowerment. Bürgerlich Politik nimmt Menschen als Menschen ernst und traut ihnen zu, frei und verantwortlich zu leben. Gerade deswegen bietet bürgerliche Politik Perspektiven an, die Perspektive das Leben selbst in die Hand zu nehmen.
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Zur Person:
Henrique Schneider ist Verleger der «Umwelt Zeitung». Der ausgebildete Ökonom befasst sich mit Umwelt und Energie aber auch mit Wirtschafts- und internationaler Politik.